DIE
GABE
Lewis Hyde beschreibt in seinem Buch
‚the gift’ (die Gabe) unter anderem die Bewegung und Zirkulation als Theorien
des Gebens.
Bereits 1764 existierte der Begriff des
‚indischen Gebers’, der eine besondere oder andere Form des Besitzes
implementierte. In der indischen Tradition heißt es: was auch immer uns gegeben
wurde ist dazu bestimmt weiter gegeben zu werden und somit kein Besitz. Falls
es jedoch behalten werden sollte, ist es üblich etwas Gleichwertiges
einzutauschen. Erst dann ist ein Geschenk eine wahre Gabe. Das Wesentliche ist dabei
die ständige Bewegung. Andere Formen des Besitzes stehen still oder markieren
Grenzen - das Geschenk aber ist immer auf dem Weg. Der Gegensatz zum ‚indischen
Geber’ wäre so etwas, wie der ‚weiße Besitzer’ (oder vielleicht ‚Kapitalist’).
Dessen Instinkt ist es die Zirkulation zu durchbrechen; den Besitz in einem
Warenhaus oder Museum zu präsentieren, oder ihn zur Produktion zu verwerten.
THE KULA RING
Soulava – Ketten
Mwali - Armmuscheln
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Das
Geschenk ist nicht nur in Bewegung – es zirkuliert. Unter Volksstämmen wie die
Kula ist die Form des Kreises in dem das Geschenk zirkuliert ethnographisch
klar zu erkennen. Dieser Stamm lebt auf den Südseeinseln nahe der Ostspitze von
Neuguinea. Diese praktizieren einen zeremoniellen Austausch, den Branislow
Malinowski in seinem Buch Argonauts of the Western Pacific beschreibt,
nachdem er mehrere Jahre dort verbracht hat. Es existieren zwei zeremonielle
Geschenke bei den Kula – Armmuscheln ‚Mwali’
und Ketten ‚Soulava’. Beide Schmuckstücke
aus kegelförmigen und kleinen flachen roten Muschelscheiben zirkulieren auf den
Inseln von Haushalt zu Haushalt. Dieser Gegenstand ist von sozialem Nutzen
und für die Kula die beliebteste
Form der Stammeserzählung; so wird zu Hause berichtet wie es seinen Weg in das
Haus fand, es wird den anderen präsentiert und überlegt an wen es weitergegeben
werden soll.
Die Kula-Geschenke bewegen sich kontinuierlich
in einem weiten Inselring des Massim-Archipels. Jedes reist kreisförmig. Die
rote Muschelkette, als männlich betrachtet und von den Frauen getragen, wird im
Uhrzeigersinn weitergegeben. Die Armmuscheln hingegen, mit weiblicher Bedeutung
versehen und für die Stammesmänner bestimmt, zirkulieren gegen den Uhrzeigersinn.
Diese Objekte werden mit dem Kanu von Insel zu Insel gebracht. Eine sehr gut
vorbereitete, lange Reise, über hunderte von Meilen. In der Regel dauert es
ungefähr zwischen zwei und zehn Jahren bis ein Objekt eine Runde auf den Inseln
gedreht hat. Dieser Tausch lebt von der Ausgeglichenheit. Für eine Kette werden
beispielweise Armbänder von demselben Wert gegeben. In demselben Moment oder
ein zwei Jahre später. Diskussionen sind unüblich.
Wichtig dabei ist die Zirkulation
zwischen mindestens drei Nachbarstämmen: so gibt man – würde man in einem Kreis
stehen zum Zentrum blickend - die Schmuckstücke dem Partner zu seiner Rechten
und erhält eine Gabe von dem Partner zu seiner Linken. So wird das Aufwiegen des
Wertes vermieden. Diese Art des Austausches ist kein Tauschhandel. Dieser existiert
unabhängig davon. Hierbei reden und diskutieren die Tauschpartner so lange, bis
eine Balance gefunden wurde. Das Geschenk aber wird in Stille vergeben.
Der Sinn für Besitz ist bei den Kula sehr
unterschiedlich zu den Europäern. Der soziale Code besagt, zu besitzen ist
großartig. Reichtum ist die unabdingbare Abfindung des sozialen Ranges und ein
Attribut persönlicher Tugend. Und wichtig ist: besitzen bedeutet zu geben. Dies
unterscheidet die Kula deutlich von uns. Von einem Mann, der besitzt, wird natürlicherweise
erwartet sein Besitz zu teilen und weiterzugeben. Er ist ein Treuhänder und
Verteiler.
Hyde, Lewis (2007): The Gift. Creativity and the Artist in the Modern World. New York (5.Auflage)
veranlasst durch la italiano, getroffen am 14 August 2013
veranlasst durch la italiano, getroffen am 14 August 2013
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