Dienstag, 3. September 2013


ZEIT UND GELD

  Zufallsbekannte oder Herkunftsverwandte?


"Zeit ist Geld" - abgegriffen wie eine Münze erscheint diese nahezu hundert Jahre alte Beziehung zweier Begriffe, deren Knappheitsbeziehung Jochen Hörisch in seiner Poesie des Geldes aufs Anschaulichste herausgearbeitet hat, und die beide in ungeahntem Ausmaß auch unser heutiges Leben dominieren. Doch wie selbst die abgegriffenste Münze durch ihren Prägestempel beglaubigt wird, so ist auch hier zu fragen: was macht sie glaubhaft, diese unglaubliche Beziehung, daß sie sich so behaupten und so behauptet werden konnte?
Dieser Satz wird in Szene gesetzt in einer Welt, in der beide, Zeit und Geld, regieren. In dieser Welt hat Zeit eine bestimmte charakteristische Struktur, die sich in den Uhren verkörpert. Sie fließt gleichmäßig dahin, in stets sich selbst äquivalenten Abschnitten, getrennt vom Raum, getrennt von den Objekten im Raum und gänzlich unbeeinflusst von dem, was wir über sie reden. Die Unabhängigkeit sowohl vom Raum als auch von den Dingen im Raum gibt diesem Konzept von Zeit den Anschein des Universalen: sie muß notwendigerweise in China dieselbe Geltung haben wie in Europa.
In dieser Welt erhebt ein weiteres Konzept Anspruch auf Universalität: die Ja/Nein-Logik. Etwas ist entweder so oder so, Tertium non datur. Sie charakterisiert das rauhe Geschäftsleben, sie besetzt aber auch den innersten Kern des klassischen Denkens der Naturwissenschaftler, die mit logischer Strenge ihre Experimente auswerten. Das chinesische Yin-Yang oder eine Hegelsche Dialektik sind in dieser Welt schlecht angesehen.
Dieses Denken wird von verschiedenen Seiten in Frage gestellt. Einerseits von der modernen Physik. Andererseits von Kulturen wie der chinesischen, in denen sich nicht nur ein völlig anderer Zeitbegriff entwickelte, sondern ein komplett anderes Denken. Bedrohlich für das klassische europäische Denken wird es in dem Moment, wo sich herauskristallisiert, daß die Grundlagen des Denkens der modernen Physik nahezu 1:1 korrespondieren mit den Grundlagen des traditionellen chinesischen Denkens. Ab diesem Moment ist zu fragen: unter welchen Umständen konnte sich solch ein Denken wie das klassische europäische herausbilden, dem sowohl das Denken der modernen Physik als auch das chinesische Denken unfassbar erscheinen? Mit dieser Fragestellung stoßen wir auf den Zusammenhang, dem der Satz Zeit ist Geld seine Wahrheit und seine tiefere Unwahrheit verdankt: der spezifisch europäische klassische Zeitbegriff entstammt denselben Wurzeln wie das Geld.
Aber gehen wir der Reihenfolge nach vor: was sagt die klassische Phalanx von Kantscher Philosophie und Newtonscher Physik (von der sich kein Gymnasiast so richtig je wieder erholt), was sagt die moderne Physik und wie verhält sich das zur chinesischen Philosophie?


Abstraktion, Scheidung, Synthese

Die angezeigte eigentümliche Zeitstruktur ist eingebettet in die Philosophie Kants. Unter den zahlreichen philosophischen Schulen Europas ist Kant für unsere Zwecke bedeutsam, nicht nur, weil er die Grundlagen für das Denken legte, das die Naturwissenschaften auszeichnet, sondern weil seine Weise des Denkens wichtige Elemente enthält, die sich in den Köpfen auch noch der meisten heutigen Menschen wiederfinden lassen (was sich über Hegel und Heidegger so nicht behaupten läßt). Kant stützte sich auf das ausformulierte Denken Newtons, der wiederum das abstrakte Denken widerspiegelte, das bei den antiken Griechen seinen Ausgangspunkt nahm. Diese enge Geschwisterschaft der Kantschen Philosophie mit der klassischen Physik ist wichtig, weil die Kündigung dieser Verwandtschaft durch die Physik den Dreh- und Angelpunkt unserer Überlegungen bilden wird.
Wesentliche Grundlage des Kantschen Denkens ist die Abstraktion, die ihrerseits wesentlich mit einer Scheidung der Quantität von der Qualität verknüpft ist. Trennung im Sinne von Scheidung ist das Charakteristikum dieser Philosophie.
In dieser Philosophie ist Zeit vom Raum getrennt und nurmehr reine Zahl. Die eigentümliche Gliederung der Zeit in sich selbst stets äquivalente Abschnitte sorgt für ihre Meßbarkeit. Es ist eine Zeit ohne Anfang und Ende.
Mit demselben Strickmuster wird der Raum erfasst. Der Raum setzt sich nicht aus Dingen zusammen, er ist vielmehr von allen Dingen geschieden. Er ist als getrennt von der Zeit konzipiert, d.h. er ist zeitlos, immer anwesend, unbeweglich, ohne zeitliches oder räumliches Ende. Raum ist in diesem Konzept die unbewegliche Bühne, auf der sich alles abspielt. Dieser Raum erstreckt sich gleichmäßig, eine niemals endende gleichförmige Abfolge von Intervallen, eines dem anderen äquivalent. Diese Struktur ist es, die auch den Raum meßbar macht, auch er wird zur puren Zahl.
Die Welt im Sinne der Physik wird nun beschrieben als abstrakte Bewegung abstrakter Körper in einem abstrakten Raum. Scheidung der Quantität von der Qualität wurde zur Grundlage des Programms einer Quantifizierung, dem die Genauigkeit zum grundlegenden Maßstab werden sollte. Alles in der Physik muß durch meßbare Zahlen ausgedrückt werden können.
Die Welt im Kantschen Denken ist geschieden in Subjekt und Objekt; der Mensch wird zum Subjekt, das eine „objektive“ Distanz zu den Dingen einnimmt. Alle Dinge werden zu Objekten dieses distanzierten Blicks. Der Mensch wird von den Dingen getrennt.
Aber Scheidung ist nicht alles. Zwar wird alles – Zeit, Raum, Dinge, Subjekt, Objekt – vom jeweils anderen getrennt. Insofern jedoch alles abstrakt und quantifizierbar wird, wird es äquivalent zu allem Anderen, d.h. es wird zur Basis einer Synthese, die nun durch die Ja/Nein-Logik vermittelt wird. Es ist dies die Weise, wie die Kantsche Philosophie das Procedere des naturwissenschaftlichen Denkens ermöglicht: trennen - quantifizieren – synthetisieren mithilfe der Ja/Nein-Logik.
Die Genauigkeit der Zahlen spielt eine wichtige Rolle: sie ermöglicht es den Naturwissenschaften, Zusammenhänge aufzuspüren.
Die Abstraktion ermöglicht es, alles mit allem in Beziehung zu setzen. Und sie ermöglicht den wichtigen Anspruch auf Universalität. Kant bezeichnet diese universale Zeit und den zugehörigen Raum als ein „a priori“, ein zeitlos und geschichtslos Vorgegebenes für alle Menschen, inclusive der chinesischen. Und auch bei Platon (428-348 BC) war bereits ein ähnlicher Gedanke aufgetaucht: der Gedanke der unkörperlichen parallelen Existenz einer abstrakten Welt neben und unabhängig von der körperlichen Welt.


Traditionelle chinesische Philosophie 

Traditionelle chinesische Philosophie nutzte statt einer Ja/Nein-Logik das Prinzip des Yin-Yang, das von einer grundlegenden und unauflösbaren Verbundenheit alles und jeden ausgeht.
Raum, Zeit, Himmelsrichtungen, Jahreszeiten, Dynastien, Farben, Töne formen ein Ganzes, das vermittels Emblemen angesprochen werden kann (Granet, 1985) .
Diese alte Philosophie kennt keinerlei Konzept einer abstrakten Zeit. Es existiert kein kontinuierlicher Fluss einer universalen Zeit. Die Zeit zeigt Brüche. Sie ist zersplittert in Dynastien, und in jeder Dynastie war es die Aufgabe des Herrschers, Raum und Zeit neu zu erzeugen. Zeit war nicht unabhängig von der Gesellschaft. Keinerlei Äquivalenz zwischen verschiedenen Zeitabschnitten existierte.
Es existierte auch keinerlei Konzept eines abstrakten Raumes. Und schon garnicht eine Äquivalenz zwischen verschiedenen Raumabschnitten. Der Raum verdichtete sich vielmehr im Zentrum, wo der Herrscher residierte, und er verdünnte sich nach den Rändern hin, der Peripherie, wo die unzivilisierten Barbaren lebten.
Im alten China gab es Philosophen, die sich leidenschaftlich mit Zahlen beschäftigten. Das alte China kannte nicht nur ein Zahlsystem, sondern derer drei - zwei dezimale (auf der 10 basierend) und ein duodezimales (auf der 12 basierend) . Sie wurden benutzt, um vielfältige, ihnen wichtige Verbindungen zwischen Himmel, Erde und Gesellschaft zu repräsentieren. Nie aber (von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen) entwickelten die Gelehrten des alten China irgendein Interesse an der Genauigkeit von Zahlen.
Im Gegenteil: das philosophische, auch in der Musik verwendete Konzept dă pǔ begreift Unschärfe als ein grundlegendes Prinzip. Nie wird den chinesischen Musikern von den Komponisten ein Takt vorgegeben im Sinne der Orientierung an einer abstrakten Zeit. Stattdessen findet in chinesischen Orchestern eine Synchronisation über den jeweiligen musikalischen Inhalt der Performance statt.
Quantität läßt sich im alten China nicht von Qualität trennen. Schon sprachlich signalisiert sich die enge Verbindung der Qualität zhìliàng mit der Quantität liàng .
Noch im heutigen China sind die lìangcì gebräuchlich, Zählwörter, über die grundsätzlich jeder Zahl eine qualitative Bestimmung zugeordnet werden muß (Wang 1999). Es ist dies dasselbe Phänomen wie im frühen Griechenland, wo vor dem Übergang zur abstrakten Zahl diese stets mit einer Qualität verknüpft war. Wenn dort über 10 Schafe oder 10 Pferde geredet wurde, hatten die beiden Zehnen nichts miteinander gemein. Die eine war eine sog. Schafzahl, die andere eine Pferdezahl.
Größer könnte man sich den Unterschied zwischen beiden Philosophien kaum vorstellen, und die Frage stellt sich: wo nimmt diese Differenz ihren Ausgangspunkt? Einen wichtigen Anhaltspunkt liefert die moderne Physik! Gerade weil sie so eng mit der Philosophie Kants verbunden war, liefert die ungestüme Aufkündigung dieser Verwandtschaft durch die Physik wichtige Hinweise.


Revolution in der Physik

Zu Beginn des 20ten Jahrhunderts fand in der Physik eine Revolution statt. 1900 wurde von Max-Planck die Quantentheorie begründet. 1905 entwickelte Einstein die Spezielle und 1916 die Allgemeine Relativitätstheorie. Und 1925 schließlich wurden von Erwin Schrödinger und Werner Heisenberg die Grundlagen der Quantenmechanik gelegt.
Das klassische, von Newton und Kant exerzierte Denken wurde abgelöst durch ein revolutionäres neues Denken. Aber dieses neue Denken ist nicht neu. In erstaunlicher Weise stellt sich eine nahezu 1:1 Korrespondenz mit den Grundlagen des alten chinesischen Denkens heraus. Die moderne Physik favorisiert wie die traditionelle chinesische Philosophie in grundlegender Weise den Zusammenhang gegenüber jeder Scheidung und gibt in charakteristischer Weise der Unschärfe den Vorrang gegenüber jeder Genauigkeit.
Ich möchte das im Einzelnen erläutern:
Gemäß der Speziellen Relativitätstheorie ist grundsätzlich keine Trennung von Raum und Zeit möglich. Beide verschmelzen zu einer „Raumzeit“, die eine unauflösbare Verbundenheit signalisiert. Je nach Bewegungszustand gehen räumliche und zeitliche Anteile dieser Raumzeit ineinander über.
Keinerlei gleichförmige, universale Zeit existiert, die Zeit zersplittert in „Eigenzeiten“.
Das Zwillingsparadoxon - das nur in der alten Anschauung ein Paradoxon ist - besagt, dass eine Zwillingsschwester, die von einer Reise mit einer sehr schnellen Rakete (nahe Lichtgeschwindigkeit) zurückkehrt, ihren Zwillingsbruder und seine gesamte Welt um z.B. 60 Jahre gealtert vorfindet, während sie selbst erst um zwei Jahre gealtert ist. Sie, die die Vorreiterin der technischen Zivilisation war und jung geblieben ist, ist nun gegenüber dem zwischenzeitlichen technischen Fortschritt hoffnungslos veraltet und findet sich nicht mehr zurecht.

Das Konzept der Eigenzeit beinhaltet einen Bruch in der Zeit. Grundlage des Zwillingsparadoxons ist die Einsicht in die Unmöglichkeit, die Gleichzeitigkeit einer universalen Zeit zu konstruieren. Der Zeitpunkt, zu dem der eine Zwilling sein Bezugssystem wechselt, wird im neuen Bezugssystem nicht als gleichzeitig wahrgenommen, sondern weist einen Sprung auf. Die Dekonstruktion einer universalen Zeit bedeutet eine große Annäherung an chinesische Vorstellungen. Der Bruch der Zeit etabliert eine verblüffend analoge Situation zu dem Zeitbruch zwischen Dynastien, wie er in der chinesischen Philosophie vorausgesetzt wird.
Für Einstein gibt es keine Zeit neben und außerhalb der Synchronisation von Uhren. Zeit ist der Gang der Uhren, das war der entscheidende philosophische Schritt, den Einstein seinen Zeitgenossen wie Lorentz und Poincaré voraus hatte (Will 2005,5). Da Synchronisieren ein Tun ist, bekommt die Zeit eine gesellschaftliche Qualität. Einstein trifft sich hierin nicht nur mit dem Soziologen Norbert Elias, der 1988 in seinem berühmten Essay „Über die Zeit“ herausarbeitete, daß Zeit eine symbolische Form ist, deren wesentlicher Inhalt in der Synchronisation sozialer Aktivitäten besteht. Die Nähe zu den traditionellen chinesischen Vorstellungen, die der Zeit eine gesellschaftliche Dimension zuweisen, ist unverkennbar.
Die Allgemeine Relativitätstheorie stellt fest, daß keine Scheidung zwischen der Raumzeit und den Objekten möglich ist. Je massiver Objekte (Sterne, Galaxien, schwarze Löcher) sind, desto mehr verlangsamen sie die Zeit. Raum und Zeit sind nicht gleichförmig, sondern verdichten oder verdünnen sich, da die Massen der Objekte eine Krümmung der Raumzeit verursachen. Dieses Verdichten und Verdünnen ist grundlegendes Merkmal der chinesischen Raumvorstellung.
Im Rahmen der Quantentheorie ist keine Ja/Nein-Logik, keine Selektion nach entweder-oder möglich. Die klassischen Objekte werden durch eine Wellenfunktion ersetzt, die die Überlagerung von Möglichkeiten repräsentiert. Genauigkeit wird somit durch ein Prinzip der Unschärfe ersetzt.
Die Quantenmechanik läßt prinzipiell keine Möglichkeit zu, ein Objekt unabhängig von seinem Beobachter zu definieren. Die Zuweisung von Eigenschaften hängt von der Messung ab, die diese Eigenschaften messen soll. Auch die Scheidung eines Objekts von seinem Beobachter stellt sich also als unmöglich heraus.
Die Messung, der grundlegende Pfeiler der klassischen Theorie mitsamt der mit ihr verknüpften Genauigkeit, wird nun zum grundlegenden Problem. Der sog. Kollaps der Wellenfunktion bei der Messung zählt zu den bis heute ungelösten Problemen der Quantentheorie. Eine Messung zerstört die Wellenfunktion, indem sie genau eine Möglichkeit auswählt. Das Resultat der Messgröße mag dann exakt sein, aber physikalische Zustände sind alles andere als exakt. Die Unschärferelation von Heisenberg postuliert, daß alle Objekte nur innerhalb einer Unschärfe bestimmbar sind. Vor einer Messung sind die Objekte – im Gegensatz zur klassischen Vorstellung – prinzipiell unbestimmt, einprägsam dokumentiert durch Schrödingers Katze. Nach einer Messung – z.B. von Ort und Geschwindigkeit eines Teilchens – finden wir, daß entweder der Ort oder die Geschwindigkeit des Teilchens einen exakten Wert hat, aber nicht beide zugleich.
Nur von einem klassischen Standpunkt aus, dem Genauigkeit zur obersten Maxime geworden ist, erscheint die Unschärfe als ein Moment der Einschränkung. Alle Möglichkeiten solange als möglich offen zu halten – ein Schlüsselelement chinesischen Vorgehens – entpuppt sich jedoch als ein tiefliegenden Erfordernis der Quantenmechanik, denn just die Fähigkeit zur Überlagerung und Interferenz aller Möglichkeiten, die Grundlage der Unschärfe, führt auf die faszinierenden neuen Resultate, die die Quantenmechanik erzielt. Beispiele sind die sog. Entanglement-Experimente, die vermutlich in Bälde zur Grundlage neuer kryptografischer Verschlüsselungsmethoden reifen werden. Die tiefliegende Bedeutung der Unschärfe entspricht der Art, wie das Prinzip dă pǔ in der chinesischen Philosophie und Musik die Unschärfe betont.
Als erstaunliches und faszinierendes Resultat können wir eine tiefe innere Korrespondenz der neuen Grundlagen der modernen Physik mit den Grundlagen des traditionellen chinesischen Denkens konstatieren. Die neue Theorie gehorcht einer Philosophie der Unschärfe und der grundsätzlichen Verbundenheit.


Umkehrung der Fragestellung

Ein wesentlicher Wechsel unseres Gesichtswinkels drängt sich auf. Ein klassischer Europäer tendiert dazu zu fragen: wie konnte es dazu kommen, daß eine so unglaubliche Theorie wie die Spezielle Relativitätstheorie sich überhaupt entwickelte? Er benutzt den Geniebegriff, um das für ihn Unfassbare der Einsteinschen Theorie auszudrücken. Ein fiktiver traditioneller Chinese könnte erwidern: warum habt ihr überhaupt Raum und Zeit getrennt? Ist es ein Wunder, daß ihr jetzt Schwierigkeiten habt, das unter einen Hut zu bringen?
Dem klassischen europäischen Denken erscheinen die moderne Physik wie auch das chinesische Denken gleichermaßen fremd und unbegreiflich. Aber im Umkehrschluss können und müssen wir fragen: was für ein seltsames Denken ist es, dem sowohl die moderne Physik als auch das chinesische Denken so unfassbar erscheinen?
Wir sind gezwungen zu fragen: wann und warum entwickelte sich dieses merkwürdige klassische europäische Denken?


Die Sohn-Rethel'sche Vermutung

Wenn wir uns mit der Struktur des Denkens und seiner Entstehung beschäftigen, ist es wichtig, sich zu vergegenwärtigen, daß wir nicht über etwas reden, das zum Objekt des Denkens wird. Das würde immer schon das Denken als gegeben voraussetzen. Was bei seiner Bildung die Struktur des Denkens bestimmt, muss selbst seinen Ort außerhalb dieses Denkens haben.
Die Antwort auf unsere Frage ist - mit hoher Plausibilität - in einer Vermutung zu finden, die von Alfred Sohn-Rethel im Anschluß an Heideggers Sein und Zeit formuliert und 1971 publiziert wurde. Gemäß seiner Theorie scheint das abstrakte europäische Denken seine Existenz einer tiefreichenden Abstraktion zu verdanken, die im realen Austausch von Waren statt findet.
Der Satz Zeit ist Geld weist in die richtige Richtung, auch wenn er nur die Oberfläche streift. Was Sohn-Rethel als tiefgründige Theorie formulierte, soll uns hier nur als phänomenologischer Leitfaden dienen, an dem sich unsere Lust am Assoziieren, am Erkennen und Wiedererkenne delektieren kann, ohne sich zu theoretisch den Kopf zerbrechen zu müssen.
Die Gesellschaften, in denen die Gleichung Zeit ist Geld in Szene gesetzt wird, sind warenproduzierende Gesellschaften, definiert darüber, daß sie nicht für den Gebrauch, sondern den Tausch produzieren. Im Tausch verbirgt und entdeckt sich ein Paradox: ich tausche die Waren, weil sie ungleich sind, ja, das ist der Antrieb, warum ich tausche; ich tausche sie aber für gleich: andernfalls liefe es auf Übervorteilung oder gar Raub hinaus. Im Tausch werden die Waren als gleichwertig, als äquivalent postuliert. Neben ihrem Gebrauchswert, der sinnlichen Qualität, die mir bei einem Apfel das Wasser im Mund zusammen laufen läßt, erscheint ein Tauschwert, der die getauschten Dinge äquivalent macht: eine nur noch quantitativer Differenzierung fähige Größe, die jedes zu jedem in numerische Relation setzt.
In keiner Fiber, keinem Gran ihrer Stofflichkeit sind die tatsächlichen Waren einander gleich. Der Tauschwert ist keine materielle Größe, er ist reine Abstraktion. Sohn-Rethel bezeichnet ihn als Realabstraktion, die ihren Sitz nicht im Kopf hat, wo alle klassische Philosophie die Abstraktion vermutet, sondern die hinter dem Rücken der Tauschenden, in ihrem Tun stattfindet. In der Aufspaltung der Waren in Gebrauchswert und Tauschwert findet sich die Ablösung der Qualität von der Quantität, die kennzeichnend für das europäische abstrakte Denken ist, und die sich als Methode der Naturwissenschaften etablierte. Sohn-Rethels nicht ganz, aber, wie Hörisch zeigt, nahezu komplett durchgeführte These besagt, daß in der Tauschabstraktion alle Kategorien und Schemata verborgen und geborgen sind, die das europäische rationale Denken nach Kant charakterisieren.
Das Geld repräsentiert den Tauschwert, wie er - nach einer Jahrtausende währenden Entwicklung, in deren Verlauf er verschiedensten Gebrauchswerten wie dem Salz, Kühen oder Gold eine bevorzugte Stellung zuwies - sich schließlich vom Gebrauchswert emanzipierte.
Die antike griechische Gesellschaft war eine auf Geld beruhende Gesellschaft, so sehr, daß bereits bei Aristoteles der Topos der vehementen Geldkritik anzutreffen ist, der sich wie ein roter Faden durch das gesamte Mittelalter bis tief in die Neuzeit hindurchziehen sollte. Es ist nach Sohn-Rethel kein Zufall, daß das Auftreten der Vorsokratiker, der ersten Vorläufer der rationalen Denkungsart, zusammen fällt mit der ersten Münzprägung Europas.
Der Tauschwert ist das, was in all dem Wechsel der sinnlichen Vielfalt der getauschten Waren sich selbst stets äquivalent bleibt. Er ist das per definitionem Unveränderliche.
Die griechische Philosophie war fasziniert vom abstrakten Unveränderlichen, so sehr, daß den Neuplatonikern das Unveränderliche zum Inbegriff des Göttlichen wurde und seine Abstraktheit die Gewähr für das wahrhaft Seiende.


Die Herausbildung der abstrakten linearen Zeit 

In diese historische Zeit fällt der Übergang des Zeitbegriffs von einer Zeit des Tuns zu einem Tun der Zeit. Aus einer mit Qualität verbundenen Zeit - einer Zeit der Trauer oder der Zeit der Ernte - wurde eine abstrakte Zeit, die den ontologischen Status entwickelte, der ihr heute zugemessen wird, wenn wir sagen: die Zeit verrinnt, die Zeit vergeht, gleich als wenn wir sagten: der Regen tropft. Mit Aristoteles vollendete sich die Herausbildung der abstrakten Zeit: Zeit ist nun die Zahl an der Bewegung. Aus dem symbolischen Zeitbegriff, benutzt, um die Tätigkeiten der Menschen zu synchronisieren, wurde eine abstrakte lineare Skala, auf der sich das Vorher und das Nachher in unaufhörlicher Wiederholung reihte. Was trieb diese Entwicklung an?
Die Münze markierte nicht nur die Materialisierung eines Beständigen, dessen es für die Herausbildung eines linearen Zeitbegriffs bedarf. Indem sie von Hand zu Hand ging, markierte sie auch ein zeitliches Nacheinander der sinnlichen Vielfalt der durch sie getauschten Waren. Diese temporale Veränderung entlang einer Münze hat die Struktur einer ständigen Wiederholung des immer gleichen, sich selbst äquivalenten Schrittes: des Tauschaktes. Es ist dies die Zeitstruktur des europäisch-rationalen Denkens, die sich als eine Folge sich selbst stets äquivalenter Zeitschritte inszenierte und damit das erwarb, was als Translationsinvarianz zum Fundament Newtonscher Physik wurde. Im Rahmen der Sohn-Rethelschen Vermutung können wir die Behauptung wagen: die spezifische Struktur des klassischen europäischen Zeitbegriffs ist vom Geld bestimmt.


Die Grundlage der Ja/Nein-Logik

Die Basis des Tauschs ist das private Eigentum. Ohne ein Bewußtsein von Mein-und-nicht-Dein ist kein Tausch möglich. Das private Eigentum setzt mit dem Exklusionsprinzip des Mein-und-nicht-Dein die fundamentale Trennung der Gesellschaft in solipsistische (solus ipse - jeder für sich) Privateigentümer in Kraft, die den Tausch als gesellschaftliche Synthesis ausweist, die in Anlehnung an Kant die Strukturen des Denkens zu konstituieren in der Lage ist. Und so wie mit dem Tausch die Abstraktheit als Trennung von Qualität und Quantität Einzug hält, so kommt mit seiner Grundlage - dem privaten Eigentum und seinem Exklusionsprinzip - die Logik des Mein-und-nicht-Dein in die Welt, eine Logik des strikten Ja oder Nein: Tertium non datur.
Das Punktförmige dieser Logik spiegelt sich in der Zeitvorstellung. Wie der Tausch ein wohldefiniertes Vorher und Nachher kennt - vor dem Tausch gehört die Ware dem Verkäufer, nachher gehört sie mir, ein Vorher und Nachher, das einzig durch den zeitlich und logisch punktförmigen Akt des abstrakten Eigentumswechsels sowohl getrennt als auch verbunden ist -, so kennt der neu entstehende lineare Zeitbegriff zwar eine wohldefinierte Vergangenheit und Zukunft. Die Gegenwart jedoch, diese lustvolle Existenz unserer Körper, gerinnt auf dieser Skala zum logischen Punkt, dessen einzige Funktion ist, Vergangenheit und Zukunft zu trennen.
Eine absurde Konstruktion, die nur dort Bestand hat, wo die logische Exklusion des privaten Eigentums zur selbstverständlichen Praxis des gesellschaftlichen Verkehrs gehört. Ihrer Absurdität ist zu danken, daß bei Aristoteles, der doch dem Denken des Parmenides und seiner zweiwertigen Logik - das Sein ist, das Nichtsein ist nicht - zum Durchbruch verholfen hat, die schönsten dialektischen Formulierungen zu finden sind, wenn er das Jetzt beschreibt, das sich als zeitliche Bestimmung mit all der ihm eigenen Fülle so dagegen sträubt, unter sein Diktum Zeit ist die Zahl an der Bewegung zu fallen.


Parallelwelten

Scheidung ist die Basis der warenproduzierenden Gesellschaft, Scheidung des Mein-und-nicht-Dein und Scheidung der Qualität von der Quantität. Und so wie der Tausch die Synthese dieser in Privateigentümer gespaltenen Gesellschaft bewirkt, indem er alle sinnlichen Dinge über ihre abstrakten Wertkörper der Äquivalenz zuführt und solcherart untereinander kompatibel macht im Medium des Geldes, so konstituiert die Naturwissenschaft eine Parallelwelt, indem sie der sinnlichen Welt die abstrakte Welt beigesellt, die nurmehr rein quantitativer Differenzierung fähig ist, sodaß alle Dinge einander kompatibel werden im Medium der Ja/Nein-Logik. So wie der Markt die Vielfalt der sinnlichen Dinge als Waren in die einfache Relation der Äquivalenz von jedem mit jedem vermittelt, so setzt die Naturwissenschaft jedwedes sinnliche Ding als abstrakten Körper mit jedwedem anderen in Beziehung über die logische Gleichheit ihrer Formeln.
Das Hand in Hand gehen von Kantscher Philosophie, kapitalistischer Ökonomie und Naturwissenschaft in der Neuzeit hat eine solide Basis in der Tauschabstraktion, die für warenproduzierende Gesellschaften bestimmend ist.
Was wir hier mittels ein paar phänomenologischer Hinweise skizziert haben, wurde von Sohn-Rethel als attraktive und hoch-plausible Theorie ausgearbeitet, in der er den Nachweis unternimmt, daß in einer Gesellschaft solipsistischer Privateigentümer der Austausch von Waren die gesellschaftliche Synthesis und mit ihr die Kategorien und Schemata konstituiert, die nach Kant für das rationale Denken maßgeblich sind.
Die Frage bleibt dann: warum konstituiert der Tausch rationales Denken in Griechenland bzw. Europa, aber nicht in China? Die Antwort findet sich in der verschiedenen sozio-ökonomischen Struktur beider Gesellschaften.

 
China und das dem Mein-und-nicht-Dein Andere

In China existierten Bedingungen, die notwendigerweise kollektive Aktivitäten erforderten und dadurch letztendlich eine Dominanz der Repräsentanten des Prinzips des Mein-und-nicht-Dein, der Großgrundbesitzer und Kaufleute, verhinderten. Die Kultivierung von Reis erforderte große gemeinsame Anstrengungen für Bewässerungssysteme, und großes kollektives Bemühen war erforderlich, um eine aus Wasserkanälen bestehende Infrastruktur zu bauen und instand zu halten. Um die Grenzen zu sichern, mußten umfangreiche Wallanlagen gebaut und die Bereitstellung von Soldaten organisiert werden und natürlich mußte ein Modus zur Finanzierung dieser Aktivitäten gefunden werden.
Solche Bedingungen, die im Sinne einer Kohäsion wirksam sind und in China zur Ausbildung einer mächtigen zentralen Bürokratie führten, existierten weder in Griechenland noch später im feudalen Europa. Im Gegenteil: die Autonomie der Städte entwickelte sich als deutliches Zeichen für die nahezu unbegrenzte Dominanz der Kaufleute, nach Sohn-Rethel eine Vorbedingung für die Entwicklung eines durch Ökonomie konstituierten Denkens.
Die Geschichte Chinas dagegen läßt sich lesen als die Geschichte starker Konflikte zwischen dem trennenden Prinzip des Mein-und-nicht-Dein – repräsentiert durch Großgrundbesitzer und Kaufleute – und den kollektiven Erfordernissen, die in China durch eine zentralisierte Bürokratie verkörpert wurden. China hat eine lange Tradition schriftlicher Aufzeichnungen, die es erlauben, diese Konflikte in großer Detailtreue nachzuzeichnen, wie das von Mark Elvin 1973 unternommen wurde.
Die Phasen großer Instabilität während der Periode der Drei Reiche (Sanguo, AD 220-265/80), der Periode der Nördlichen und Südlichen Dynastien (Nan-bei-chao, AD 420-581) sowie der Periode der fünf Dynastien und zehn Königtümer (Wudai-shiguo, AD 907-960) sind verknüpft mit starkem politischen Einfluß der Großgrundbesitzer. Insbesondere in der letzteren Periode war China laut Elvin nahe daran, den Weg Europas einzuschlagen, das in eine Vielzahl kleiner Staaten zerfiel. Mit Beginn der Sung-Dynastie (AD 960) jedoch tauchen die Großgrundbesitzer zunehmend integriert in leitenden Positionen in der Hierarchie der zentralen Bürokratie auf. Elvin benutzt dafür die Bezeichnung Grundherrenregime ohne Feudalismus. Zu Zeiten der Ming-Dynastie gar wurden die leitenden Positionen offiziell gemäß dem abgeführten privaten Steueraufkommen verteilt. Das bedeutet: nie in seiner Geschichte (ich vernachlässige die Phase der Mohisten) konnte China als Exklusivgesellschaft solipsistischer Privateigentümer angesehen werden, deren gesellschaftliche Synthesis über Tausch konstituiert wird. In Fortführung des Denkansatzes von Sohn-Rethel ist dies ein Schlüsselelement für die Lösung des Needham Problems, warum ein rationales Denken wie in Europa sich in China nicht ausbilden konnte (Gruber 2009).


Die Rolle des Geldes

Die Entwicklung in China ist aufschlußreich, um sich über den Geltungsbereich der Spruchweisheit Zeit ist Geld Aufschluß zu verschaffen. Sie demonstriert, daß ein schneller Rückgriff auf die Rolle des Geldes voreilig sein kann. Obwohl in Griechenland das erste Münzgeld Europas geprägt wurde, ist dieser Umstand für sich genommen noch kein Indiz dafür, daß Griechenland der Status einer warenproduzierenden Gesellschaft zukommt. Schlüssel für die Argumentation Sohn-Rethels ist denn auch eine dominierende Rolle des Warenaustauschs in der Synthesis der Gesellschaft und nicht das Auftreten von Geld allein. China kennt eine lange Geschichte der Geldentwicklung. Es besaß die erste Papierwährung der Welt, die gegen Ende des 11. Jahrhunderts sogar in ganz Nordchina verbreitet war. Für eine Synthesis der Gesellschaft im Sinne Kants und mit den Konsequenzen Sohn-Rethels liefert dieser Sachverhalt jedoch keine ausreichende Basis. Die spezifisch europäische Zeitvorstellung mit ihrer gleichförmigen Abfolge sich selbst äquivalenter Intervalle verdankt ihre Struktur dem Geld, ja, aber nur aufgrund der gesellschaftlichen Dominanz des Warentausches.


Dissonanzen 

Der erstaunliche Sachverhalt, daß moderne Physik und traditionelles chinesisches Denken auf den gleichen philosophischen Grundlagen aufbauen, geht einher mit der Beobachtung, daß das klassische europäische Denken, dem diese Entwicklung entsprungen ist, an einen Punkt gelangt ist, an dem es sich selbst nicht mehr versteht. Sowohl das Denken der modernen Physik als auch das chinesische Denken erscheinen ihm unbegreiflich. Dasselbe Phänomen läßt sich in der Musik beobachten.
Die traditionelle chinesische Musik kennt weder Harmonie noch Takt. Beides sind für die europäische Musik charakteristische Konstrukte, die sich einer überaus engen Verknüpfung der europäischen Musik mit Mathematik verdanken; eine Verknüpfung, die auf denselben Zweig der griechischen Entwicklung zurück geht, wie er eben für die Philosophie beschrieben wurde. Die Harmonie in der europäischen Musik beruht auf der Genauigkeit von Zahlenverhältnissen, die damals nicht nur die Definition der Tonintervalle bestimmten, sondern auch festlegten, was als konsonant empfunden wurde. Der Takt hinwiederum beruht auf dem Konstrukt einer abstrakten Zeit, die nach einer festen Grundeinheit unterteilt wurde, dem chronos protos des Aristoxenus. Folglich kennt – nach dem oben Gesagten - die chinesische Musik weder fixe Tonhöhen - als notwendige Voraussetzung, daß die Zahlenverhältnisse ihre genaue Geltung entfalten können - noch eine Mehrstimmigkeit, deren Voraussetzung die fixen Tonhöhen sind (Gruber 2011).
Nun hat sich zeitlich parallel zur physikalischen zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine Revolution auch in der Musik abgespielt, als deren Ergebnis die klassischen Konstrukte von Harmonie und Takt nicht nur keine Rolle mehr spielen, sondern von den zeitgenössischen Komponisten gemieden werden . Das hat zur Folge, daß dasselbe passiert wie in der Philosophie: das klassisch geschulte europäische Ohr tut sich schwer, nicht nur mit der chinesischen Musik, sondern auch mit der zeitgenössischen Musik nach 1910. Umgekehrt hat das chinesische Hörvermögen nicht nur keine Schwierigkeiten mit der zeitgenösischen europäischen Musik, es genießt mit großer Lust und Offenheit auch die klassische europäische Musik, seien es italienische Arien oder deutsche oder slawische Kunstlieder.


Einklang

Wenn nun also dieser Strang des europäischen Denkens (denn es ist nur ein Strang, denken wir an Heraklit, Hegel, Heidegger, Nietzsche oder die neuere französische Philosophie) unvermutet und mental blockiert vor der chinesischen Haustüre gelandet ist, so doch mit zwei riesigen Blumensträußen im Arm. Der eine beladen mit der Fülle, Anmut und Lebendigkeit der europäischen klassischen Musik, die – an ein mathematisches Konzept von Abstraktheit gebunden, das die Anstrengung einer großen Vielzahl an Stimmungen forcierte - ihren Reichtum vielleicht auch diesen vergeblichen, aber fruchtbaren Versuchen verdankt, das Pythagoräische Komma zu bändigen. Der andere versehen mit der atemberaubenden Erklärungskraft, die zu erreichen der Quantenfeldtheorie oder der Allgemeinen Relativitätstheorie mithilfe der Mathematik gelingt - eine Erklärungskraft, die einem Physiker wie mir den Atem stocken läßt. Vielleicht das Resultat eines fruchtbaren Zweifels, der sich zu seiner Bändigung stets erneut der quantitativen Reproduzierbarkeit seiner Ergebnisse vergewissern mußte.
Es ist bizarr: kein CD-Player würde funktionieren ohne die Quantenmechanik. Kein GPS würde seine notwendige Genauigkeit erreichen ohne die Allgemeine Relativitätstheorie. Aber eingehüllt in den Glanz dieser Technik, die ein Leuchten in die Augen der chinesischen Jugend bringt, segelt die alte Ja/Nein-Logik mit, als stolze private Eigentümerin dieser Errungenschaften, die sich in jedem Akt des Kaufens oder Nichtkaufens stets aufs Neue legitimiert. Eine Ja/Nein-Logik, die nicht nur die Revolution von 1917, sondern auch die Revolution von 1900 unbeschadet überstanden hat! Grund zur Besorgnis? Das Gegenteil ist auch falsch.


Literatur: 

Elias,Norbert, Über die Zeit, suhrkamp, Frankfurt a.M. 1988 (1984) Elvin,Mark, The Pattern of the Chinese Past, Stanford University Press,Stanford 1973 Granet,Marcel, Das chinesische Denken, Inhalt-Form-Charakter, Suhrkamp,Frankfurt a.M.1985 (Orig. 1934) Gruber,Rainer,Wang,Li, Über den Unterschied der chinesischen und europäischen Musik, Vortrag v. 25.5.2011 am Musik Department der Beijing Normal University, Beijing, China (2011, to be published) Gruber,Rainer, Zeit und Geld – Zufallsbekannte oder Herkunftsverwandte, Das Gleiche des Ungleichen, Theoriereihe 2009 des Staatstheaters Oldenburg, Oldenburg 2009 Hörisch,Jochen, Kopf oder Zahl. Die Poesie des Geldes, Suhrkamp, Frankfurt a.M. 1998 (1996) Wang,Huanqian, Über die Zählwörter im Chinesischen, Sinolingua , Beijing 1999 Sohn-Rethel, Alfred, Geistige und körperliche Arbeit, Suhrkamp, Frankfurt/M 1971 Will,Clifford, http://arxiv.org/pdf/gr-qc/0504085v1 (letzt.Aufruf 9.6.2011)

Von Dr. Rainer Gruber, Professor der Physik, getroffen am 31 August 2013