Donnerstag, 22. August 2013


Seine Zubereitung ist eine Kunst, also ziemt es sich, ihn auch kunstvoll zu genießen.
Abd el Kader, 16. Jahrhundert

DIE KUNST DER KAFFEEZUBEREITUNG


Äthiopien ist das Land, in dem der Kaffee vor mehr als zweitausend Jahren entdeckt wurde. Seine Bewohner tranken bereits Kaffee als in Europa noch Bier zum Frühstück verzehrt wurde. Dort wurde eine spezielle Zeremonie für das gemeinsame Kaffeetrinken entwickelt. Die grünen Bohnen werden am Tisch geröstet (Pfannenröstung), herumgereicht, um den Duft und das Aroma der qualmenden Bohnen genießen zu können; einen Segensspruch wurde ausgesprochen, die Bohnen anschließend gemahlen und aufgebrüht. Der Kaffee wird in einer henkellosen Tasse mit einem Zweig ingwerähnlichem Gewürz serviert. Die Zeremonie kann bis zu drei Stunden dauern und trägt den Namen: Abole-Berke-Sostga, eins-zwei-drei auf die Freundschaft.
Es gibt grundsätzlich zwei verschiedene Kaffeesorten: den Arabica aus Ostafrika, der in größeren Höhen gedeiht und den Robusta aus Zaire, eine rundere, herbere Bohne, die überall wächst. Vor dreitausend Jahren verzerrten die ersten Kaffeeliebaber, die Oromo-Nomaden, Kaffee indem sie ihn aßen. Die zerstoßenen Bohnen wurden mit Fett vermischt und zu ballgroßen Happen geformt. Während der Schlacht mit den Bongas wurden die Oromo als Sklaven nach Harar gebracht und mit ihnen die Kaffeebohne. Die Bohnen die dort gedeihen sind länglich und besitzen die köstliche Eigenschaft der Arabica Bohne. Bei der Anpassung an die Höhenlage entstand eine verfeinerte Arabica-Bohne die später in den Jemen und dann in die ganze Welt gebracht wurde. 



Die Äthiopier haben zwar seit ewigen Zeiten die Kaffeebohnen gekaut, doch die erste flüssige Tasse Kaffee wurde nicht aus Bohnen, sondern aus den Blättern des Kaffeestrauchs hergestellt. Dieser abessinischer Tee hatte zwei Bezeichnungen: Kati oder Kotea aus gerösteten, orangenfarbenen mit hellgrünen Flecken versehenen Kaffeeblättern und Amertassa, das wohl ältere Getränk. Kafta nannten es die Araber. Später wurde im Südjemen unbehandelte Bohnen hinzugegeben. Die Katizubereitung ist einfach:

Die getrockneten Blätter werden in einer flachen Pfanne geröstet, bis sie von dunkler, pechähnlicher Konsistenz sind. Dann zerbröselt man sie und übergießt sie mit einer Mischung aus Wasser, Zucker und einer Prise Salz. Das Ganze wird bei schwacher Hitze etwa zehn Minuten lang gekocht. Die bernsteinfarbene, dickliche Flüssigkeit zergeht, ja schmilzt auf der Zunge, ihr köstlich karamellisiertes, rauchiges Aroma ist mit Lapsang Souchong (dem chinesischen Rauchtee) vergleichbar, aber vielschichtiger – sie schmeckt süß und salzig zugleich.
vgl. s.25

Die Qat-Blätter werden ebenfalls gekaut. Sie haben viele Araber und Ostafrikaner süchtig gemacht und werden auch als böse Schwestern des Kaffees bezeichnet. Die unbehandelten Qat-Blätter werden solange zerkaut bis der Pflanzenbrei alle Säfte abgegeben hat. Eine geistige Euphorie stellt sich ein. Ein tranceähnlicher Zustand, der eine hypnotisch-sinnliche Erfahrung zulässt.
Den Bewohner von Harar war es verboten die Stadt zu verlassen, um die Kunst des Kaffeebrauens zu erhalten. Die Einheimischen beten ihre Kaffeekannen an und verwenden die Bohne als Opfergabe. Das Gebet für Frieden, Schutz, Wohlstand und Regen wurde an diese gerichtet. Das Ritual Bun-Qualle der Garrii vom Stamm der Oromo feiert die Liebe und den Tod. So wird beispielsweise das Platzen der Bohne in der Pfanne als Geburt eines Kindes oder auch als letzter Seufzer eines Sterbenden gleichgesetzt. Sie verwenden die Bohne als Opferersatz für den Ochsen. Die Garrii-Priester schälen die Bohne anstatt das Tier zu schlachten und braten diese in Butter. Durch das kauen derselbigen werden spirituelle Kräfte gestärkt. Die Masse der heiligen Butter mit Kaffeearoma wird nun den Teilnehmern der Zeremonie auf die Stirn geschmiert. Übrige Bohnen werden mit süßer Milch vermischt, getrunken und ein Gebet gesprochen – unter anderem um den Wohlstand zu mehren. Dieses Ritual stammt vermutlich aus einer Zeit vor der Verbreitung des Islams, da die islamischen Alchemisten glaubten, dass Kaffee mit Milch Lepra verursacht – auf diesen Glauben geht die Verweigerung mancher Europäer Kaffee mit Milch zu trinken zurück. Ein Aufguss mit zerstoßenen Bohnen, die ihre ganze Kraft entfalten können,  wird nur mit Wasser hergestellt und für dunklere Vorgänger wie eine Teufelsaustreibung verwendet.
Die Bun-Qualle ist der Archetype für das weilweit am meisten verbreitete Gemeinschaftsritual. In der heutigen Zeit ist diese Zusammenkunft mit dem Verzehr des Kaffees inzwischen der internationalen Geschäftsgepflogenheit angehörig. Die stimulierende Wirkung des Intellekts, Wachheit und Durchhaltevermögen sind Aspekte, warum in den modernen Büros die Kaffeekanne nicht mehr wegzudenken ist.


Lee Allen, Stewart (2003): Ein teuflisches Zeug. Auf abenteuerlicher Reise durch die Geschichte des Kaffees, Frankfurt

von freie.aktion.gesellschaft